Schlagwort-Archive: Ferienspaß

Lern-Spaß 2021: Das Interview

Der Lern-Spaß ist ein Ferienprogramm des Kinderschutzbundes Kalk. Es hat zuletzt in den Sommerferien 2021 in den Räumlichkeiten unserer Kalker Koordinationsstelle statt gefunden.

Ziel war es, Kindern ein Ferienprogramm anzubieten, wo sie sich mit Gleichaltrigen treffen können – trotz Corona – aber auch ihre Lernrückstände des vergangenen Jahres bearbeiten können. Joshua war ein Teilnehmer unseres Ferienprogramms, Miriam hat als Betreuerin am Lern-Spaß teilgenommen.
Beide haben sich bereit erklärt uns ein Interview zu geben über den Lern-Spaß 2021 beim Kinderschutzbund Köln. Geführt hat das Interview die Leiterin unserer Koordinationsstelle in Kalk, Maria Schweizer-May.

Maria: Ihr habt mir beide Fotos von Euch in der Natur geschickt, die zeigen wie viel Spaß ihr an Bewegung habt. Umso mehr danke ich Euch, dass ihr nach einer Schulwoche und nach einem langen Schultag am Freitag zum Gespräch gekommen seid. Ihr habt beide am Lern-Spaß, dem Ferienprogramm des Kinderschutzbundes, teilgenommen. Miriam als Lehrende und Joshua als Teilnehmer. Wir treffen uns heute hier, um über Eure Erfahrungen über das Projekt Lern-Spaß zu sprechen. Der Lern-Spaß liegt mehrere Monate zurück. Woran erinnert ihr Euch, was ist im Gedächtnis geblieben?

Joshua: Ich habe noch Erinnerungen. Wir waren auf dem Spielplatz und haben viele Ausflüge gemacht. Und dass wir gut lernen konnten, daran erinnere ich mich auch.

Miriam: Ich kann mich auch noch sehr gut an die Zeit erinnern. Es war ja so, dass man in den Medien sehr viel über Lernrückstände der Schülerinnen hörte.  Ich fand die Zeit im Lern-Spaß sehr spannend für mich als angehende Sonderpädagogin. Ich bin sehr glücklich, dass ich im Lern-Spaß mitarbeiten durfte.

Maria: Miriam sagte, dass die Coronapandemie und die verschiedenen Unterrichtsmodelle dazu geführt haben, dass Kinder viele Lernrückstande haben. Joshua, magst du erzählen, wie es in der Schule vor den Sommerferien gewesen ist.

Joshua: Es war sehr schlecht. Man hat vieles verpasst. Ich konnte nicht mehr gut lernen. Die ganze Zeit war nicht schön.

Maria: Worüber hast Du Dir Sorgen gemacht?

Joshua: Ich dachte, ich bekomme vielleicht auch Corona, aber habe ich zum Glück nicht bekommen.

Maria: Du bist trotz deiner Sorgen in den Lern-Spaß gekommen: Warum war es wichtig für Dich in den Lern-Spaß zu gehen?

Joshua: Damit ich lernen konnte, damit ich besser werde für die weiterführende Schule und dass ich auch etwas zu tun habe in den Ferien.

Maria: Das Projekt hieß Lern-Spaß. Konntest Du Deinen Freunden erzählen, dass Du in ein Ferienprogramm gehst, das Lernen zum Inhalt hat?

Joshua: Das war nicht schlimm. Keiner hat mich gefragt, weil ich habe allen gesagt, dass ich in den Ferien nicht kann. Viele meine Freunde wollten dann auch in den Lern-Spaß kommen. Aber die durften dann nicht mehr, weil die Gruppe ja voll gewesen ist.

Maria: Miriam, du hast nach einem schulischen Praktikum in einem Ferienprogramm mitgearbeitet, in dem Du wieder „unterrichten“, Kinder beim Lernen unterstützen musstest.

Miriam: Ja und zwar wirklich gerne. Ich habe ja nicht 6 Wochen Schulferien.  Ich war vor dem Lern-Spaß in meinem Praxissemester und habe die Auswirkungen der Pandemie für die Schülerinnen ganz deutlich mitbekommen und stark gemerkt. Der Lern-Spaß ist natürlich ein ganz anderes Konzept als Schule. Ich glaube, dass sich die Bedingungen zum Lernen insgesamt geändert haben. Es fängt mit der Maske im Unterricht an und hört auf bei den verschiedenen Unterrichtsformen, mit denen ja kein Lehrer, keine Lehrerin didaktische Erfahrungen hatte. In den ersten Schuljahren aber auch später noch, müssen Kinder erst einmal lernen zu lernen: Wie geht Lernen überhaupt? Wenn dann die Kontinuität nicht gegeben ist, ist es für die Kinder schwierig einen eigenen Weg zu finden. Und vor allem die Grundschulzeit, ist die Zeit in der die Grundlagen geschaffen werden. So wie bei Joshua auch. Joshua ist jetzt auf der weiterführenden Schule. Ich habe gemerkt, dass viele Kinder durch die Situation stark belastet sind. Und sie hatten nicht die Chance eine Lernhaltung zu erlernen oder für sich zu entwickeln.

Maria: Was war anders im Ferienprogramm im Vergleich zur Schule?

Joshua: In der Schule muss man nur lernen und Ausflüge oder andere Unternehmungen gibt es nur manchmal. Hier konnte man lernen und hatte Spaß. Man konnte nach dem Lernen zum Spielplatz gehen und hatte jede Woche Ausflüge.

Maria: Die Mischung macht es, wünscht du Dir auch für die Schule mehr Mischung?

Joshua: Wir haben das an der Schule?

Maria: Dann hast Du Glück an Deiner Schule. Was war für dich das wichtigste Fach, indem du etwas lernen wolltest?

Joshua: Mathe …

Miriam: Joshua hat Mathe und Deutsch geübt und gefestigt. Das kleine und große Einmaleins war für alle Kinder wichtig. Alle Rechenarten haben wir immer in Verbindung mit Bewegung geübt. Ich bin selbst ein großer Fan, Lerninhalte mit Bewegungen zu verknüpfen. Dadurch werden mehrere Gehirnareale gleichzeitig angesprochen.

Ein anderes Verfahren, das wir praktiziert haben war, dass sich die Kinder gegenseitig Bälle zugeworfen haben und sich gegenseitig Aufgaben gestellt haben. Die Aufgaben wurden nicht nur von den Pädagoginnen gestellt, sondern auch von den Kindern. Die Kinder haben sich auch Aufgaben für uns ausgedacht. Das ist ganz schön schwierig, weil die Kinder müssen entscheiden, ob die genannte Lösung richtig oder falsch ist. Das heißt, sie müssen selbst rechnen.

Maria: Joshua, kanntest Du das bewegungsorientierte Rechnen auch aus der Schule?

Joshua: Das machen wir auch in der Schule.

Miriam: Das ist kein Alltag an den Schulen. Da hatte Joshua Glück. Viel läuft wirklich immer noch im Frontalunterricht. Klar man versucht auch alternative Methoden aber, naja…

Maria: Was habt Ihr in Deutsch bearbeitet?

Miriam: In Deutsch stand das Textverständnis im Vordergrund. Ich hatte Texte mit unterschiedlichen Niveauebenen. Die Texte haben wir mit den Kindern gelesen, meistens in Kleingruppen, ein/zwei Kinder. Nach dem Lesen wurden Fragen zum Textverständnis gestellt. Die Antworten ergaben ein Lösungswort. Die Texte waren im Prinzip kleine Rätseltexte. Wir haben uns von den einfachsten Texten bis zu den schwierigsten hochgearbeitet. Joshua war am Ende auch im schwierigsten Niveau. Was ich ganz schön fand war, dass die Kinder in Gruppen gearbeitet haben und sich gegenseitig unterstützten.  Wenn die Kinder ein falsches Lösungswort hatten, haben sie erst alleine nach der richtigen Lösung gesucht und sich dabei unterstützt.

Die Kinder haben voneinander gelernt. Dazu hatten sie im Lern-Spaß die Zeit und auch die Ruhe.

Maria: Die Kinder waren aus verschiedenen Schulen? Kanntest Du andere Kinder im Lern-Spaß?

Joshua: Mein Freund Noah war auch dabei und noch andere Kinder aus der Schule, aber nicht aus meiner Klasse. Manche kannte ich auch nicht.

Maria: Würdest Du sagen, du hast Lernstoff aufgeholt, den Du durch die Zeit mit Corona nicht lernen konntest?

Joshua: Also, ich schreibe jetzt bessere Noten. Und das habe ich vorher nicht gemacht. Ich hatte in Mathe und Deutsch keine guten Noten, aber jetzt habe ich gute Noten in Mathe und Deutsch.

Maria: Was können wir für den Lern-Spaß verbessern und/oder beibehalten.

Miriam: Das Grundkonzept finde ich sinnvoll und sehr gut. Gut war, dass es bereits eine Grundstruktur an Angeboten gegeben hat, die nach der Lernzeit durchgeführt wurden. Auch das Töpfern jede Woche war eine sehr gute Idee. Dadurch dass es jede Woche stattfand, konnten sich Kinder, die mehrere Wochen am Programm teilnahmen, intensiv mit dem Material beschäftigten und nicht nur einmal etwas ausprobierten. Ich fand es auch gut, dass das Töpfern montags stattfand, weil man dann einen motivationalen Faktor als Wocheneinstieg hatte. Denn die Ferien sind ja wirklich auch zur Entspannung da, weil in der Schule, häufig auch schon in der Grundschule ein großer Leistungsdruck herrscht.

Das war auch die Herausforderung bei uns im Lern-Spaß zu lernen ohne Druck aufzubauen. Es war aber sehr sinnvoll, das Lernen mit dem Spaß zu verbinden und die Motivation über einen so langen Zeitraum aufrecht zu erhalten, war, glaube ich, nicht so einfach. Die Kinder wussten aber nach der Stunde Lernen gehen wir raus oder unternehmen etwas, das Freude macht. Das war sehr hilfreich und das fand ich auf jeden Fall sehr gut.

Dann habt ihr ja vorher Gespräche mit Eltern und Kindern darüber geführt, was die Kinder lernen sollen oder wollen. Das würde ich in Zukunft mit den Mitarbeiterinnen vorab genau durchsprechen, damit die Mitarbeiterinnen schon planen können, was sie vorbereiten, damit die Lernzeit sehr effektiv genutzt werden kann.

Wenn genau feststeht, was bearbeitet werden soll, dann können schon Lerngruppen zusammengestellt werden, dann kann die Lernzeit von Anfang sehr effektiv geplant werden.

Maria: Wir hatten ein sehr qualifiziertes Team. War das wichtig für den Erfolg?

Miriam: Drei Personen pro Einsatztag, diese Besetzung war ausschlaggebend dafür, dass die Kinder wirklich im Lernen unterstützt werden konnten. Es zeigte sich, dass die Unterschiede in den Themen, die die Kinder lernen wollten ziemlich groß waren.

Um allen gerecht zu werden, auch für die freizeitpädagogische Arbeit waren drei Pädagoginnen in der Gruppe eine gute Besetzung, aber auch notwendig. Im Lern-Spaß wollten wir den Kindern Zeit geben Fragen zu stellen, die im Klassenkontext zu viel Raum beanspruchen und daher keine Zeit dafür ist; oder Zeit für Fragen, die sie sich in der Schule nicht zu stellen wagen.

Maria: Nun haben wir viel über das Lernen gesprochen, kommen wir noch einmal kurz zum Spaß.

Joshua: Das Töpfern war sehr schön. Töpfern habe ich vorher schon einmal gemacht. Aber diesmal konnte man viele Sachen machen und die wurden dann auch schön.

Maria: Welche Ausflugsorte würdest uns für das nächste Jahr empfehlen:

Joshua: Schwimmen, Odysseum, das Spieleland auch.

Maria: Was sollten wir für den Spaß organisieren? Hast du ein paar Ideen für uns?

Joshua: Kart fahren.

Maria: Was ist wichtig für das nächste Programm?

Joshua: Alles sollte so bleiben wie letztes Mal.

Miriam: Fachlich qualifiziertes Personal ist das A+O. Denn es müssen viele verschiedene Inhalte vermittelt werden. Die Grundlagen zu vermitteln, ist die schwierigste Aufgabe von Schule überhaupt. Durch die vergangenen Monate haben manche Kinder nicht die Chance gehabt, solides Grundlagenverständnis zu entwickeln. Ich würde sogar so weit gehen, dass manche Kinder sogar Fehlvorstellungen gelernt haben, Vorgehensweisen in den Grundrechenarten. Zum Beispiel hatten wir Kinder in der Gruppe, die in der Schule die Multiplikation durchgenommen haben. Es zeigte sich im Lern-Spaß jedoch, dass sie kein grundlegendes Verständnis von Addition hatten.

Grundlagen zu vermitteln, im Primarbereich ist unheimlich anspruchsvoll, aber jeder denkt: „Ich kann doch rechnen, dann kann ich auch die Grundlagen für Mathematik anderen vermitteln.“ Einmal ganz allgemein. Die Quereinsteiger an Grundschulen sind nicht hilfreich.

Aber zurück zu Deiner Frage. Wenn in einem Ferienprogramm wirklich Unterrichtsstoff nachgeholt werden soll, dann braucht man dafür fachlich qualifizierte Mitarbeiterinnen aus dem Primarbereich.

Maria: Ihr habt wirklich Grundlagenarbeit im Lern-Spaß geleistet.

Mariam: Ja, das kann man mit Recht sagen. Und wir haben viele Schulhefte von Kindern gesehen und vergleichen können. Was wird in der Schule bearbeitet und welchen Kenntnisstand haben die Kinder. Die Lücken waren richtig groß. Die Grundlagen waren nicht gefestigt und dann können die Kinder zwar bestimmte Aufgaben lösen, können sie aber nicht übertragen auf andere Aufgabenstellungen oder weiterführende Operationen.

Maria: Eure Erfahrungen zeigen, was den Kindern in den vergangenen Monaten abverlangt wurde, welche Benachteiligungen ihnen zugemutet wurden. Wir überlegen, den Lern-Spaß noch einmal anzubieten. Habt Ihr noch Wünsche oder Ideen für die Wiederholung?

Joshua: Nein, aber ich würde wiederkommen und würde Freunde fragen.

Miriam: Mich freut es, zu hören, dass das Programm noch einmal angeboten werden könnte. Wenn ich nicht selbst teilnehmen kann, würde ich es auf jeden Fall bei uns an der Fakultät bewerben, damit Ihr wieder richtig gute Lehrende habt.

Maria: Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Euch viel Freude bei den Dingen, die Ihr Euch vornehmt und viel Erfolg in Schule und Studienabschluss. Bleibt gesund.