Beitrag Aktuelles:
12.11.2020
Vor über 50 Jahren, am 26. September 1970, wurde beim Kinderschutzbund Köln ein für die Bundesrepublik und auch international wegweisendes Hilfeangebot für Kinder und Jugendliche auf den Weg ge-bracht – der „Notruf für Kinder- und Jugendliche“. Dies war die Geburts-stunde und Initialzündung für das heutige bundesweit aufgestellte Kinder- und Jugendtelefon (KJT). Das Kinder- und Jugendtelefon Köln ist damit das älteste telefonische Beratungsangebot speziell für junge Menschen in Deutschland, vermutlich auch weltweit.
Heute ist das Kinder- und Jugendtelefon Köln ein Beratungsangebot der Nummer gegen Kummer e.V. in Kooperation mit dem Kinderschutz-bund Köln.
In diesem Jahr wurde das KJT Köln mit dem Ehrenamtspreis KölnEngagiert 2020 von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ausgezeichnet.
Egal, ob Liebeskummer, Stress mit den Eltern, Ärger in der Schule oder einfach mal mit jemandem quatschen können – beim Kinder- und Jugendtelefon (KJT) finden Kinder und Jugendliche verständ-nisvolle und kompetente Gesprächs-partner*innen.
Fachlich geschulte ehrenamtliche Mitarbeiter*innen sind montags bis samstags von 14.00 bis 20.00 Uhr sowohl über das Festnetz als auch über das Handy kostenfrei unter der Nummer 116 111 bundesweit zu erreichen. Sie sind unaufgeregte Gesprächspartner, sie hören viele Stunden aufmerksam zu, nehmen sie ernst und versuchen behutsam gemeinsam mit ihnen individuelle Lösungen zu suchen und zu finden. Sie können auch Rat und Hilfe geben, ggf. auch über weiterreichende Angebote und Einrichtungen vor Ort informieren.
Was besprochen wird, ist vertraulich, Namen müssen nicht genannt werden. Die Gespräche werden nicht auf der Telefon-rechnung aufgeführt. Die Kinder und Jugendlichen können sich darauf verlassen, dass weder Eltern, noch Freunde oder auch andere Institutionen und Einrichtungen davon erfahren, dass ein Anruf stattgefunden hat oder was besprochen worden ist.
Das KJT ist ein offenes Gesprächsangebot für alle Themen und Fragen, Sorgen und Nöte, die Kinder und Jugendliche bewegen und für die sich nicht immer ein unmittelbarer persönlicher Gesprächspartner findet. Neben einer Fülle von neugierigen Scherz- und Testanrufen reicht die Themenbreite der Anrufe am KJT von der Frage nach der angemess-enen Höhe des Taschengeldes über Schulprobleme und Liebeskummer, Fragen zur Partnerschaft und Sexualität bis hin zu Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen.
Insgesamt haben im Jahr 2019 ca. 25 KJT-Berater*innen rund 950 Stunden unentgeltlich am Telefon beraten und ca. 7500 Anrufe von Kindern und Jugendlichen entgegengenommen, aus denen sich 915 Beratungen entwickelten.
In 50 Jahren sind sicherlich 240.000 Anrufe entgegengenommen worden.
Zeitungsausschnitt Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.-27.09.1970
Rückblickend und aus heutiger Sicht mutet die damalige ausgefallene Projektidee der Initiator*innen gemeinsam mit ihrem Vorstand geradezu skurril an. Mit drei privaten Telefonanschlüssen in seelische Not geratenen Kindern und Jugendlichen als ungeschulte freundlich zugewandte Gesprächspartner*innen im eigenen Lebensalltag auch noch Entlastung zu verschaffen und Konflikte zu entschärfen, ggf. auch aktiv persönlich beim Jugendamt, Eltern oder Bildungsinstitutionen vorzusprechen und zu vermitteln? Kaum zu glauben aber wahr! Aus Einsicht und tiefer Überzeugung, dass sie Kindern und Jugendlichen mit ihrem unkonventionellen Gesprächsangebot hilfreich sein könnten.
„Ich hätte ja nicht im Traum daran gedacht, dass unsere Initiative damals vor 50 Jahren eine solche Entwicklung nehmen könnte,“ freute sich Seniorin Inke Beyer, Mitgründerin und Pionierin der ersten Stunde.
Rainer Schütz, Geschäftsführer von Nummer gegen Kummer e.V., bezog sich noch einmal auf die Anfänge: „Ich gratuliere dem Kinderschutzbund Köln zu seiner Pionierleistung in den siebziger Jahren – Er hatte den Gesprächsbedarf von Kindern und Jugendlichen frühzeitig erkannt und Mut gezeigt. Ich freue mich, dass wir gemeinsam die Weiterentwicklung des Angebots vorantreiben können.“
Hans-Jürgen Dohmen, Koordinator des Kölner Telefons stellt die Unterstützung durch den Dachverband in den Vordergrund: „Dem Dachverband ist es gelungen, dem Angebot zu einem enormen Bekanntheitsgrad zu verhelfen. Darüber hinaus werden die einzelnen Standorte fachlich und organisatorisch gut unterstützt. Dafür sind wir sehr dankbar.“
Mit der Bereitstellung von drei privaten Telefonanschlüssen nahm die Geschichte des KJT in Köln ihren Anfang. Erst 1978 konnte sich das KJT Köln mit einem eigenen Festanschluss professionalisieren, 1980 dann konnte die erste zeittaktbefreite Nummer in Köln geschaltet werden und die Gründung eines Dachverbandes erfolgen. Bis 1984 wurde die Umbenennung in Kinder- und Jugendtelefon vorher (Sorgentelefon) vorgenommen und die Verabschiedung einheitlicher Qualitäts-standards für die Einrichtung und Ausbildung vorangetrieben. Seit 1997 kann das KJT endlich unter einer bundesweit einheitlichen und kosten-freien Nummer 0800-111 0 333 erreicht werden. Seit 2001 können auch die Handynutzer mit einbezogen werden. Heute steht bundesweit ein Angebot mit 77 lokalen Beratungstelefonen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung. Weitere Meilensteine in der beigefügten Liste.
„Die Beratung am Kinder- und Jugendtelefon stellt heute einen bedeut-samen Teil der präventiven Kinderschutzarbeit des Kinderschutzbundes Köln dar und wäre ohne Ehrenamtliche nicht zu leisten“, betonte Lars Hüttler, Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Köln. Auch wenn eine professionelle Begleitung und Organisation sein muss: das Engagement unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen ist unersetzlich und für viele Kinder und Jugendliche eine wertvolle Hilfe.“
Wie wichtig ein niederschwelliges Angebot wie das KJT in Corona-Krisenzeiten ist, zeigt der ca. zehnprozentige Anstieg insbesondere während des Lockdown von März bis Mai. Das Angebot würde so intensiv genutzt, dass vorübergehend erweiterte Anrufzeiten ein-gerichtet wurden (zusätzlich Mo, Mi, Do von 9-11 Uhr). Außerdem gibt es in Corona-Zeiten inzwischen eine erhöhte Nachfrage von ehrenamtlich Interessierten für das KJT.
Interessierte Ehrenamtliche für das Kinder- und Jugendtelefon können sich ganzjährig bewerben und werden nach einem positiven Vorstell-ungsgespräch vor Aufnahme ihrer Tätigkeit kostenlos intensiv vorbereitet. Sie erhalten durch den Kinderschutzbund eine ausführliche Schulung über mehrere Monate. In einem monatlichen Teamtreffen werden die Telefonate von der hauptamtlichen Koordination reflektiert. Sie erhalten regelmäßig und kostenlose Fort- und Weiterbildung durch die Nummer gegen Kummer. Für Notfälle sieht ihnen ein profess-ionelles Krisenteam zur Verfügung. Sie verpflichten sich für einen mindestens zweijährigen Einsatz und sind aktiv eingebunden in alle laufenden Veranstaltungen, Aktionen und Feste des Kinderschutzbundes.
Dank der Unterstützung durch die Deutsche Telekom ist das Kinder- und Jugendtelefon bundesweit und kostenfrei unter der einheitlichen Telefonnummer 116 111 zu erreichen.
Die Finanzierung des KJT erfolgt ganz ohne öffentliche Förderung ausschließlich durch private Spendenmittel und regelmäßige Spendeninitiativen wie z.B. Sponsorenläufe an Kölner Schulen. Im vergangenen Jahr wurde es durch die Kölner Rotary Clubs gefördert, in diesem Jahr durch die Kötterbüchsen-Aktion der Roten Funken.
Das Kinder- und Jugendtelefon Köln ist ein Beratungsangebot in Zusammenarbeit mit Nummer gegen Kummer e.V. und gehört einem Netzwerk von heute über 77 lokalen Kinder- und Jugendtelefonen in Deutschland an. Der Nummer gegen Kummer e.V. in Wuppertal ist Mitglied im Bundesverband des Deutschen Kinder-schutzbundes und der Dachverband aller Standorte, die in Deutschland ein Kinder- und Jugendtelefone und/oder ein Elterntelefon betreiben. Die lokalen Träger der Beratungstelefone sind örtliche Verbände des Deutschen Kinder-schutzbundes e.V., sowie andere Wohlfahrtsverbände.
Bundesweit wurden 2019 ca. 470 000 Anrufe entgegengenommen, aus denen sich 99.000 Beratungen entwickelten, Diese Zahlen zeigen eindrücklich, dass das Kinder- und Jugendtelefon mit der Nummer gegen Kummer nicht nur in Köln, sondern bundesweit ein wichtiges, unverzichtbares Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche ist.
Berichterstattung WDR 12.11.2020
WDR Stichtag 26.September 1970
WDR „Erlebte Geschichten“ 27.09.2020
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