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08.06.2021
Sorge beim Kinderschutzbund um die Situation von Kindern und Jugendlichen: „Kinder sehen – Kindern gerecht werden!“
Bereits zum Jahresbeginn wählten die Mitarbeiter*innen des Kinderschutzbundes Köln ihr Jahresthema „KINDER sehen – Kindern geRECHT werden!“ Angesichts der sich abzeichnenden Folgen der Pandemie-Beschränkungen sollte hiermit dauerhaft auf deren Situation hingewiesen werden.
„Mit dem selbstgewählten Jahresmotto will der Kinderschutzbund deutlich machen,“ erläutert Marlis Herterich, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Köln, „dass es den Mitarbeiter*innen Sorge bereitet, wie wenig Kinder in Krisenzeiten eine Rolle spielen.“ So würden Schulschließungen und Distanzunterricht vor allem unter dem Aspekt der vernachlässigten Wissensvermittlung betrachtet, das soziale Lernen und die dabei so unerlässliche Begegnung mit Gleichaltrigen spielten bestenfalls eine Nebenrolle. So hätten z.B. Spiel- und Sportangebote nur sehr eingeschränkt oder gar nicht stattgefunden. Ein Tiefpunkt sei die wirklichkeitsfremde Forderung gewesen, Kinder dürften nur mit einem Kind aus einem anderen Haushalt zusammen sein. Aktuell sei abzuwarten, ob und wie das von der Bundesregierung angekündigte „Nachholpaket“ umgesetzt würde.
Herausfordernde Beratungssituationen
Als Leiter der Familienberatung beschreibt Stefan Hauschild die Beratungssituation für hilfesuchende Familien als angespannt und herausfordernd, gleichwohl bemüht, die Mehrzahl der Beratungen über den Gesamtzeitraum der Pandemie auch live vor Ort einfühlsam und entlastend zu gestalten.
„Aus Studien und Befragungen und aus eigenen Beobachtungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern wissen wir auch, welche Folgen die Pandemie für Kinder, Jugendliche und Eltern hat. Ängste, Depressionen, Schlaflosigkeit und psychosomatische Beschwerden bei Kindern haben stark zugenommen“, betonte Hauschild. Ganz besonders hätte es benachteiligte Familien und Familien, die auch vor Corona schon Konflikte und Probleme hatten, getroffen. Er bestätigt die Zunahme von psychischer Gewalt wie wiederholtes Anschreien, Abwerten von Kindern und fehlende Ermutigung von Kindern durch die Eltern, die Folgen haben, die der körperlichen Gewalt vergleichbar sind, wenn sie gravierend sind und sich wiederholen. „Wir sollten hier weniger verurteilen, sondern auch die enormen Anpassungsleistungen der Familien herausstellen und angemessene, annehmbare Unterstützungen anbieten,“ fordert Hauschild. Das sei insbesondere jetzt von Nöten, wenn erwartet wieder mehr Eltern auf Empfehlung von Kitas oder Schulen die Beratungsangebote aufsuchen.
Vermehrter Fachberatungsbedarf erwartet
Der Kinderschutzbund rechnet damit, dass sich zeitnah vermehrt Erzieher*innen und Lehrer*innen an die Beratungsstelle wenden, um den Umgang mit Verdachts-momenten von Gewalt gegen Kinder zu klären. Diese Beratung von Fachkräften ist eine Kernaufgabe der Beratungsstelle. „Die Fachkräfte melden sich bei Anhalts-punkten für eine Gefährdung bei uns, und wir schätzen gemeinsam die Situation ein, planen Gespräche mit den Eltern und überlegen gemeinsam, welche Hilfen für die Familien passen könnten, um Gefährdungen abzuwenden“, erläutert Hauschild.
Stabilisierung und Ausweitung der Hilfeangebote
Geschäftsführer Lars Hüttler zeigt sich optimistisch, dass in Kürze alle Angebote des Kinderschutzbundes wieder ohne Einschränkungen stattfinden können. Dies betrifft im Wesentlichen die aktuell noch in reduziertem Umfang stattfindenden Gruppen für Kinder und Familien. An oberster Stelle stände hierbei die Gesundheit aller Beteiligten. Durch die Kontaktbeschränkungen wurden seit dem vergangenen Jahr einige Angebote „digitalisiert“ umgesetzt. Hier wird nun geprüft, was sinnvollerweise beibehalten werden sollte, wie z.B. die Videotipps zur Entwicklungsförderung von Kindern oder der inzwischen auch virtuell stattfindende Kurs „Kinder im Blick“ für Familien in Trennungssituationen. Der Kinderschutzbund Köln plant aktuell, welche zusätzlichen Unterstützungsleistungen aufgebaut werden sollten, um den von den Folgen der Pandemie-Beschränkungen betroffenen Kindern, Jugendlichen und Familien zu helfen. Neben der Stärkung der aufsuchenden Familientherapie gehört hierzu auch ein Projekt zur Prävention von Gewalt gegen Kinder, das zur Stärkung der Kinder an Kölner Grundschulen eingesetzt werden soll.
Mit Sorge betrachtet Hüttler die anstehenden Haushaltsberatungen der Stadt Köln und hofft, dass mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen keine massiven finanziellen Einschnitte aufgrund der „Pandemie-Kosten“ vorgenommen werden.
Kinderechte konsequent befördern
Unisono betonten Herterich und Hüttler, dass die Kinderrechte noch immer nicht wirklich in den Entscheidungsebenen angekommen sind. Bestes Beispiel sei der in ihren Augen traurige Kompromiss, der für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz gefunden wurde. Alle, die sich seit Jahren, inzwischen schon Jahrzehnten, dafür eingesetzt haben, seien zu Recht enttäuscht. Die Erweiterung des Artikels 6 sei in ihren Augen der falsche Weg:
„Kinder haben eigene Rechte, sie sind nicht Objekt elterlicher Sorge und staatlicher Aufsicht, sondern Träger ihrer Rechte, wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention beschrieben sind. Und den Kindern eigene Rechte durch Verankerung im Grund-gesetz zuzugestehen, schmälert keine Elternrechte, ganz im Gegenteil. Eltern können für ihre Kinder den Staat verpflichten, die Rechte ihrer Kinder zu achten und durch staatliches Handeln zu befördern“, plädierte Herterich für eine konsequentere Verankerung im Grundgesetz.
Mit seinem Jahresmotto „Kinder sehen – Kindern gerecht werden“ setzt der Kinderschutzbund Köln ein wahrnehmbares Zeichen für konsequenten Kinderschutz.
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